Donnerstag, 10. September 2015

Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse





Knapp 270 Seiten für 12,00€.
Inclusive Jiddisch-Glossar und Matzenknödel-Rezept
2012 erschienen, seit 2014 bei Diogenes
Bild: http://www.thomasmeyer.ch






Die Geschichte:
Die Hauptfigur, eine junger orthodoxer Jude, Mordechai Wolkenbruch, genannt Motti, soll verheiratet werden. Um dieses Ziel zu erreichen präsentiert ihm seine Mutter, die "mame", eine Anzahl von Kandidatinnen, die ihm aufgrund der enormen Ähnlichkeit zur mame aber alle überhaupt nicht zusagen. Er verliebt sich stattdessen in eine Kommilitonin und ihren ganz und gar unjüdischen Po.

Der mame, die Mittelpunkt der Familie ist und deren Anweisungen bestimmend sind, gefällt das gar nicht. Doch Motti hinterfragt bereits sein bisheriges Leben, die festen Regeln seiner Familie und Religion und fängt an sich von diesen zunehmend zu emanzipieren. Seine Selbstfindung führt ihn von Zürich bis nach Israel begleitet von Yoga, Brillengestellen, koscherem Gebäck und Tarotkarten.


Mein Eindruck:
Während des Lesens hat mir das Buch komischerweise besser gefallen, als im Nachhinein. Inzwischen ärgert mich Motti teilweise und erscheint mir zu naiv und unreflektiert in seinem Handeln. Währenddessen macht das Buch aber vor allem Spaß, denn ein großer Pluspunkt der Emanzipationsgeschichte von Thomas Meyer liegt in dem feinen Humor.
"Mein tate verkauft den Zürcher jidn Versicherungen. Der Satz "Man weiß ja nie!" war dabei sein liebstes Verkaufsargument. Und auch das überzeugendste, hatte er es doch mit Leuten zu tun, deren Vorfahren von einem tog auf den anderen erst nicht mehr mit der Straßenbahn reisen durften und schpejter nur noch im Güterwaggon."
Eine besondere Qualität des Buches ist das Gefühl der Zeitlosigkeit. Über eine ganze Weile meines Leseprozesses konnte ich nicht recht einschätzen, ob das Buch jetzt spielt oder vor 50 Jahren. Die jüdische Kultur mit ihren jahrhundertealten Regeln wirkt vor allem zu Beginn sehr unberührt vom aktuellen Tagesgeschehen.

Einen nicht unerheblichen Anteil daran hat die Sprache, denn Thomas Meyer hat auf jiddisch geschrieben. Es ist dem Deutschen ja sehr nahe und die Anmerkung unverständliches zu Beginn laut zu lesen hilft in vielen Fällen tatsächlich weiter (Einen wahren Aha-Moment hatte ich beim nostichl - Nasentüchlein - Taschentuch). Mitleser haben zwar schon größere Schwierigkeiten verkündet; ich hatte weniger Probleme mich einzufinden und fand im Gegenteil, dass die Sprache einen nicht großen Teil des Charmes des Buches ausmacht.

Vor allem beim Lautlesen des ein oder anderen Wortes kam mir oft dieser Artikel, der Big-Bang-Theory-Schauspielerin Mayim Bialik in den Sinn. Ihre Muttersprache ist jiddisch und ihre Gedanken sind wirklich spannend und zur Ergänzung nur zu empfehlen.

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